Pranayama – die Kraft des Atems

Der Atem spielt in unserem Leben eine entscheidende Rolle. Wir atmen zwischen 20‘000 – 30‘000 Mal pro Tag. Jedes Kind weiss, dass ohne Atem kein Leben existiert. Über den Atem nehmen wir Sauerstoff oder aus yogischer Sicht Prana (Lebensenergie) auf. Jedoch beeinflusst die Art und Weise wie wir atmen auch stark unser körperliches und psychisches Befinden. Durch Stress, Verspannung, schlechte Körperhaltung und schädliche Angewohnheiten atmen zu viele Menschen flach. Ihr Körper erhält so zu wenig Sauerstoff. Zusätzlich sammelt sich verbrauchter Atem in den Lungen an und kann nicht nach aussen gefördert werden. Dies führt zu Müdigkeit und längerfristig zu einer Erschöpfung.

Die Wirkung von Pranayama

 „Prana“ bedeutet „Energie“, „Ayama“ bedeutet „Kontrolle“. Mit Hilfe von Pranayama lernen wir, unseren Atem wieder bewusst wahrzunehmen und  so unsere Lebensenergie zu aktivieren. Das mag für den einen oder anderen abstrakt oder esoterisch klingen, aber sicherlich hat jeder von uns schon mal beobachtet, wie sich sein Atem während einem Streit verhält. Der Atem wird flach, die Stimme höher und lauter, die Gedanken wirbeln wild umher und man kommt regelrecht aus der Puste. Nach dem Streit beruhigt sich der Atem wieder, fühlt sich tief und weit an und man kommt auch im Kopf wieder zur Ruhe, Zeit für eine Versöhnung!

 

Je regelmässiger du deinen Atem bewusst wahrnimmst und Pranayama übst, desto bewusster kannst du diesen nutzen um entweder dich zu beruhigen oder dir zusätzliche Energie zu schenken. Es funktioniert! 

Die positiven Effekte von Pranayama auf Körper und Geist

 

Die Wirkung von Pranayama wirkt hauptsächlich auf das Nervensystem, vor allem auf den Sympathikus und Parasympathikus:

  • Beruhigende Atemübungen wie Anuloma Viloma (Wechselatmung) Brahmari (Bienenatmung) und Ujjayi (Siegreicher Atem) legen den Fokus auf eine lange und tiefe Ausatmung. Diese aktivieren den Parasympathikus, welcher die Herzfrequenz und den Blutdruck senkt. Wir kommen so in eine ausgleichende Ruhe und der Körper kann regenerieren.
  •          Anregende Atemübungen wie Kapalabhati und Bastrika dagegen aktivieren den Sympathikus, welcher die Herzfrequenz und den Blutdruck steigen. Danach fühlen wir uns wach und leistungsfähig.  

  •       Wer regelmässig übt, entspannt und trainiert den gesamten Atemapparat und kommt so auch im Alltag insgesamt zu einer entspannten Grundhaltung.

  •          Zusätzlich können die Atemübungen die Lungenkapazität erweitern, wenn sie mit Techniken wie Luftanhalten oder tiefer Einatmung in den Brustraum durch das Setzen von Bandhas arbeiten. Eine gute Lungenkapazität wirkt sich positiv auf die Leistungsfähigkeit und die Fitness aus.

  • Durch die regelmässige tiefe Ausatmung wird verbrauchte Luft nach aussen befördert und der Körper wird gereinigt.

Bedeutung des Pranayama

Leider fristet Pranayama immer noch ein „Mauerblümchen Dasein“ in unserem Verständnis des Yoga. Im Yogaunterricht wird zwar fleissig Asana (Körperstellungen) geübt und auf den Atem hingewiesen, jedoch liegt der Fokus in den meisten westlichen Yoga-Stilen auf der körperlichen Ebene wie Kraft und Beweglichkeit. Häufig wird vergessen, dass Pranayama ein Teil des achtgliedrigen Pfades nach Patanjali ist. Dieser Pfad hat als Ziel der Erleuchtung oder absoluten Freiheit (Samadhi). Yogische Atemübungen helfen uns zurück zu einer natürlichen Atmung zu finden und den Geist zu beruhigen. Dies ist essentiell zur Vorbereitung auf die Meditation (Dhyana), die letzte Stufe vor Samadhi.

 

Patanjali beschrieb Pranayama in den Yoga Sutras Kapitel 2, Vers 29 wie folgt:

 

yama niyama-āsana prāṇāyāma pratyāhāra dhāraṇā dhyāna samādhayo-'ṣṭāvaṅgāni

 

Achtung gegenüber deinen Mitmenschen (Yama) und gegenüber dir selbst, (Niyama), Harmonie mit deinem Körper (Asana), deiner Energie (Pranayama), deinen Emotionen (Pratyahara) und deinen Gedanken (Dharana), schließlich Versenkung (Dhyana) und Ekstase (Samadhi), sind die Glieder des achtfachen Pfades.

 

 

Zudem finden wir in der Yoga Literatur oft beschrieben, dass die Lebenszeit des Menschen nach Atemzügen berechnet wird – d.h. je langsamer und tiefer du atmest, umso länger wirst du leben.

Yogische Vollatmung zum selber üben

Diese Atmung kannst du gerne alleine zu Hause üben. Am besten übst du Pranayama früh morgens oder abends vor dem Schlafengehen. Lege dich auf den Rücken, Arme und Beine leicht geöffnet und beginne wie folgt:

  1.  Atme in einem ersten Schritt in den Bauch. Bei der Einatmung hebt sich die Bauchdecke und bei der Ausatmung senkt sie sich. Bleibe hier für 10 Atemzüge und versuche dir vorzustellen, wie du deinen Atem direkt in den Bauch lenkst.
  2. Im zweiten Schritt atme direkt in die Rippenbögen und fühle, wie sie sich über die Einatmung weiten und über die Ausatmung wieder schliessen. Bleibe hier für 10 Atemzüge.
  3.         Im dritten Schritt atme flach in deine Schlüsselbeine. Fühle wie dein Brustbein sich bei der Einatmung hebt und bei der Ausatmung wieder senkt. Bleibe hier für 10 Atemzüge.

  4. Im letzten Schritt verbinde alle drei Stufen: Bei der Einatmung fülle den Bauch, weite die Rippenbögen und hebe das Brustbein; bei der Ausatmung senke das Brustbein, schliesse die Rippenbögen und senke die Bauchdecke. Bleibe hier solange du möchtest und geniesse die beruhigende Wirkung der yogischen Vollatmung.

Wichtige Hinweise zum Üben von Pranayama

Regelmässiges Pranayama wirkt sehr intensiv auf den Körper und das vegetative Nervensystem. Dementsprechend ist es wichtig, den Körper vollständig innerlich und äusserlich zu reinigen sowie unter Anleitung eines erfahrenen Yogalehrers zu praktizieren. Beginne mit kurzen Sequenzen und steigere nur langsam und in kleinen Schritten die Dauer und Intensität.

 

Möchtest du gerne mehr über Pranayama erfahren und weitere yogische Atemtechniken unter fachkundiger Anleitung erlernen? Bei DeYoga in Schönenwerd finden regelmässig Workshops über  „Pranayama & Meditation“ statt. Hier hast du die Möglichkeit, dein Wissen zu vertiefen und erhälst wertvolle Tipps, wie du Pranayama einfach in deinen Alltag einbauen kannst.

 

Namasté

Natalie Narayani